Als Berlinerin bekam ich gestern Abend, nach dem Anschlag mit einem Lkw auf einen Weihnachtsmarkt, viele Nachrichten, Anrufe und Fragen von Freunden aus dem ganzen Land, ob es mir gut geht. Es war schön, zu wissen, dass sich mein Umfeld um mich sorgt. Facebook stellt dafür die Funktion „Safety Check“ zur Verfügung, die ich – anders als wirklich besorgte Nachfragen – für unangebracht und perfide halte:
- Der Safety Check dient vorrangig dazu, sich selbst in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken, da deine Freunde eine Mitteilung bekommen, wenn du dich als „sicher“ markiert hast. Das lenkt von den eigentlichen Opfern ab
- Unbeteiligte wirken in einer 3,5 Millionen-Stadt plötzlich wie Helden, wie Überlebende einer Katastrophe, die die ganze Stadt heimgesucht hat. Dabei sollten wir lieber auf die schauen, die nicht überlebt haben, die geholfen und gerettet haben. Das sind die eigentlichen Helden von gestern Abend
- Statt zu beruhigen, wirkt die Funktion wie Panikmache. User bekommen den Eindruck, die ganze Stadt ist unsicher und in Lebensgefahr. Dabei saßen die meisten wahrscheinlich gemütlich auf dem Sofa, als sie „safe“ geklickt haben
- Das Kümmern wird zur Farce. Oder muss ich mich sorgen, weil nur 7 meiner Freunde über den Safety Check wissen wollten, ob es mir gut geht?
- Habt ihr alle eure Freunde angerufen, die sich gestern nicht über Facebook als „in Sicherheit“ markiert haben? Wirklich? Falls nicht, müsste man sich schon fragen, wie ernst man selbst das Tool eigentlich nimmt, auf dem man sich markiert hat
- Facebook weiß nicht, was es eigentlich tut. Das zeigt der Umgang mit dem „Anschlag“ (früher Abend), der „Gewalttat“ (später Abend), dem „Vorfall“ (heute). Facebook ist nicht das Instrument, dem ich zutraue, eine solche Situation richtig einzuschätzen und auf das ich mich im Gefahrenfall verlassen will
- Facebook ist es vollkommen gleich, ob wir safe sind oder nicht. Facebook profiert lediglich von unserer permanenten Aktivität
PS: Sollte sich jemand meiner Freunde, um mich gesorgt haben, weil ich den Safety Check nicht benutzt habe, tut mir das leid. Ich werde es allerdings auch in Zukunft nicht tun. Wenn mir nichts passiert ist, bin ich über zig Kanäle erreichbar, u.a. über persönliche Facebook-Nachrichten. Sollte mir etwas passiert sein, erfahrt ihr es hoffentich nicht über Facebook.