Absurdistan in Kasachstan
Eva Lindner Blog Journalistin Kasachstan Astana

Man muss sich mal vorstellen, Angela Merkel würde sich überlegen, dass ihr Berlin als Hauptstadt nicht mehr gefällt. Eine neue Hauptstadt müsse her, eine die strahlt, eine auf die die Welt neidisch blickt, eine, in der sie sich selbst verewigen kann. Sie entscheidet, diese neue Stadt soll im Schwarzwald stehen, da gibt es noch ein bisschen Platz. Und dann hat sie einen genialen Einfall: Die neue Stadt soll einen großartigen Namen tragen – sie nennt sie „Hauptstadt“.

So in etwa muss es abgelaufen sein, als Nursultan Nasarbajew, seit fast 25 Jahren Präsident von Kasachstan, Astana gegründet hat. Eigentlich hatte er mit Almaty ja eine funktionierende Hauptstadt, aber sie war ihm wohl nicht prächtig genug. Also stampfte er 1997 eine neue Stadt aus dem Niemandsland in der kasachischen Steppe, leitete einen Fluss um und lud sich Stararchitekten wie Norman Foster ein, die mit den Milliarden aus dem Ölgeschäft seine Visionen von einer futuristischen Weltstadt umsetzen. Sein Lebenswerk nannte der Präsident schließlich „Astana“, Hauptstadt.

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Der Konsumtempel von Norman Foster

Nun stehen da also riesige Stahltürme mit goldenen Eiern darauf, ein Präsidentenpalast, der aussieht wie ein zentralasiatisches Weißes Haus und ein Einkaufszentrum unter einem weißen Zeltdach. Zusammen mit dem Präsidentenhaus bildet es die Gegenpole auf einer gigantomanen Prachtstraße – Macht und Geld, Politik und Pomp, Schaltzentrale und Einkaufstempel. Und während das Volk noch konsumiert, regiert sich der Staatschef inzwischen durch seine zigste Amtszeit, obwohl ursprünglich laut Verfassung nur zwei vorgesehen waren. Er ist außerdem laut Verfassung immun gegen Strafverfolgung. In Astana hat er sich ein gottgleiches Denkmal geschaffen. In archaischer Sowjetmanier lächelt er milde vom Sockel, das Berühren seines Handabdrucks im goldenen Ei soll Glück bringen. Deshalb stehen täglich tausende Kasachstaner Schlange, um ihre Hand vertrauensvoll in die Hand ihres Übervaters zu legen.

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Denkmal des Präsidenten

Man muss sich mal vorstellen, Angela Merkel würde sich außerdem überlegen, dass ihr Deutschland als Name für das Land der Deutschen nicht mehr gefällt. „-land“ ist so eine austauschbare Endung, Eng-land, Finn-land, Grön-land, die heißen doch alle gleich. Was Neues muss her! Den findigen Präsidenten Nasarbajew müssen ebensolche Gedanken geplagt haben. „-stan“, pff, so heißen doch alle, Kirgi-stan, Turkmeni-stan, Usbeki-stan. Und dann sind da noch die Staaten wie Pakistan und Afghanistan mit ihrem Terror und ihren Kriegen, damit will man in Kasachstan nicht in Verbindung gebracht werden. Der Nachbar Mongolei zum Beispiel habe viel mehr Touristen, weil der Name so schön nach Steppe, Pferden und Schafsbraten im Jurtenzelt klingt.

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Glück: Handabdruck vom Chef

Also wie wäre es mit „Kasach Eli“, Land der Kasachen, schlug der Staatschef kürzlich vor. Der Mann fackelt nicht lange, in den vergangenen Jahren hat er zahlreiche Städte, Regionen und Orte umbenannt. Auch Astana ist wieder im Gespräch. Irgendwie rockt „Hauptstadt“ für die Hauptstadt dann doch nicht so. Der neue Vorschlag klingt da doch schon viel besser: Nursultan! Ein Traum.