Balkan beats

Mit dem Balkan ist das ein bisschen so wie mit dem Wedding. Seit Jahren heißt es, er ist im Kommen – nur, irgendwie kommt er einfach nicht.

Genauso wenig wie der Wedding das neue Kreuzberg ist, ist der Balkan das neue Italien. Muss ja aber auch nicht. Für Reisende, die trotzdem hinfahren, bedeutet das, dass der Balkan von Touristen-Massen verschont und noch dazu aberwitzig-absurd und charmant-melancholisch ist. Wie ein alter Herr, der in seinem Schaukelstuhl sitzt, Raki trinkt und von der guten, alten Zeit schwärmt, die es so nie gegeben hat. Der Balkan ist warmherzig und chaotisch. Und trotzdem: Was allen als erstes zum Balkan einfällt, ist der Krieg. Genauer gesagt, viele Kriege. Aber jetzt mal ehrlich, wer wirklich durchschaut oder glaubt, abschließend zu verstehen, wie all der Zwist um Gebiete, Religionen, Minderheiten und Essen wirklich ablief, dem gebe ich gerne einen Slivovic aus.

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Der gute alte Jugo-Fičo

Manchmal wirkt es, als verstehen es die Leute vom Balkan selbst nicht: Ob Mazedonien zu Jugoslawien gehört hat oder nicht, darüber ist man sich in Kroatien nicht ganz sicher. Die Slowenen zählen sich als Teil des Balkans, wenn es um Musik geht, wenn es um Wirtschaftkraft geht, zählen sie sich zu Mitteleuropa. Die Serben haben die Muslime aus Bosnien vertrieben und wollten die Albaner nicht im Kosovo haben. Bis heute schicken sie deshalb auch alle anderen zurück, die aus dem Kosovo einreisen, weil sie das Land nicht als Land anerkennen. Alle anderen tun das aber schon. Die albanischen Busfahrer aus Pristina wollen dafür nicht in einem 10 Kilometer entfernten Ort halten, weil dort Serben leben. In einer orthodoxen Kirche in Serbien sollte man allerdings auf keinen Fall von einer orthodoxen Kirche in Mazedonien schwärmen. Die sind sich nämlich auch nicht gerade wohlgesonnen.

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Katzen-Museum in Montenegro

Die Griechen widerrum erkennen Mazedonien nicht an und verhindern erfolgreich seinen EU-Beitritt, weil das Land den gleichen Namen trägt, wie eine griechische Region. Die Bulgaren dagegen behaupten, der Shopska-Salat kommt aus ihrem Land, klar, Tomate, Gurke und Weißkäse tragen ja wohl mit ihrem Farbspiel aus Rot, Grün und Weiß auf dem Teller die Farben der bulgarischen Flagge. Jedes andere Balkanland behauptet natürlich, der Salat ist ist eine seiner heimischen Spezialitäten. Dass alles, aber auch wirklich alles mit einem der Kriege zu tun hat, erfährt man am besten in Montenegro. Da gibt es ein Katzen-Museum, aktuell mit der Ausstellung: Die Katze im ersten Weltkrieg. Klar, jeder muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht. Kurz: Der Balkan ist ein großes Durcheinander, vielschichtig wie ein Spinat-Käse-Börek. Das schmeckt übrigens hervorragend überall auf dem Balkan.

Wenn es allerdings um früher geht, also um Jugoslawien, wo natürlich alles besser war, dann sind alle plötzlich Balkan-Brudis. Unter Tito war der Zusammenhalt groß, alle haben sich geliebt und waren eine große Jugo-Familie. Das hört man außnahmslos in den verschiedenen Balkanstaaten. Und klar muss der slowenische Tourist in der Kirche in Montenegro keinen Eintritt bezahlen, ist er doch ein Landsmann, ein Bruder, ein „Brate“. Ehrensache also. Darauf trinken wir gleich noch einen Raki. Das Geld sollen doch lieber die chinesischen und die deutschen Touristen bezahlen. Schon klar.