Shalom, Chaverim!

Eine Sprache lernt man am einfachsten über Essen, Lieder oder Asterix-Comics. So ist das zumindest bei mir. Durch den Latein-Leistungskurs bin ich durchgerutscht, weil ich die wichtigsten Wörter schon von den Abenteuern der immer mit Zaubertrank angetüdelten Gallier kannte. Ich zitiere ja gerne die Römischen Legionäre mit „Nunc est bibendum!“ (Nun muss getrunken werden!) Ob mich das im Leben weiterbringt, weiß ich nicht, aber fürs Abitur hat es gereicht.

Nun also Hebräisch. Seit 7 Wochen sitze ich im Kurs „Aleph“ an der Universität in Jerusalem. Einen hebräischen Asterix-Comic habe ich leider noch nicht gefunden, dafür kannte ich in den ersten Stunden schon ein paar Wörter, weil wir das jüdische Lied „Shalom, Chaverim“ immer in der Schule gesungen haben.

Das war dann aber auch schon der einzige Erfolg. Ansonsten ist das mit dem Hebräischen und mir ein großes Drama. Und wie bei jedem guten Drama muss einer den anderen am Schluss verlassen. Ich ahne bereits, wie die Rollen bei uns verteilt sein werden.

Jeden Morgen schlage ich mein Hebräisch-Buch von der falschen Seite auf. Seit 7 Wochen. Ich lerne es einfach nicht, dass man hier alles von rechts nach links schreibt, liest und demnach eben auch  Bücher aufschlägt. In den Tests, die wir jede Woche schreiben, hatte ich am Anfang noch 100 Punkte, dann noch 87, letztens noch 78. Anfangs stand noch ein motivierendes „mozoian!“ (super) oder wenigstens ein „ok“ drunter, mittlerweile steht da gar nichts mehr. Ich habe mir ausgerechnet, wenn meine Leistung weiter in diesem Tempo abfällt, liegt mein Punktestand am Ende des Kurses bei 7. Dann schreibt meine Lehrerin wahrscheinlich drunter, „Eva, bitte komm nach dem Unterricht mal zu mir.“

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Das nennt man dann wohl „Leistungsabfall“

Unsere Schulklasse hier in Jerusalem ist hierarchisch aufgebaut, wie jede andere Schulklasse in dieser Welt.  Es gibt einen Chef, seine Unterhändler, Mitläufer und Loser. Dass alle Schüler mittlerweile um die 30 Jahre alt sind, spielt dabei keine Rolle. Da ist Umberto aus Portugal, er ist der Überflieger. Wenn er Hebräisch spricht, klingt es, als wäre es seine Muttersprache. Er gibt das Tempo vor. Und da ist Luca, der Italiener, der immer zu spät kommt, manchmal erst eine halbe Stunde vor Unterrichtsschluss. Das liegt daran, dass er von der anderen Seite der Stadt erstmal über sieben Hügel mit dem Fahrrad fährt. Wenn er dann endlich da ist, braucht er bis zum Ende des Unterrichts, um sich von den Strapazen zu erholen. Dabei trocknet er sich ständig mit einem Handtuch den Schweiß vom Gesicht. Und da gibt es Mary aus den USA. Mit ihrem Aufmerksamkeitsdrang und einem vollkommen unbegründeten Selbstbewusstsein, brüllt sie alles in die Klasse, obwohl es immer falsch ist.

Ich bin die Anführerin der Loser. Wenn ich vorlese, fällt Umberto ins Wachkoma, Luca rutscht das Handtuch vom Kopf und Marys Puls fährt auf 120 runter. Das geht dann ungefähr so: „So-lon, sa-lon, scha-lon, ach ne, ich habs! Sha-lom!“ Diese Buchstaben sind aber auch wirklich zu knifflig zu entziffern.  Die sehen alle gleich aus! Schlechter als ich ist eigentlich nur noch Ma aus China. „Ma“ heißt auf Hebräisch „was?“, was gut passt, wie ich finde.  Während des Unterrichts hat sie riesige Fragezeichen auf der Stirn. Ich glaube, sie versteht gar nichts. Es ist grausam wie in jeder Schulklasse, aber mich baut das auf. Solange Ma dranbleibt, tue ich es auch.

Eigentlich macht die Sprache ja Spaß. Mein Lieblingsbuchstabe ist das „hey“ und mein Lieblingswort ist „schmone“. Das heißt „acht“. Hebräisch klingt oft sehr süß, wegen der vielen „sch“. Schmone, Schlomo (Vorname), schesch (sechs), schemesch (Sonne), schteim (zwei)….

Außerdem bin ich begeistert von dem System „Ulpan“. Das ist der Name für die intensiven Hebräischkurse, wie sie seit der Staatsgründung Israels gegeben werden. Als 1948 und in den darauffolgenden Jahren Einwanderer aus der ganzen Welt nach Israel kamen, sollten sie sich möglichst schnell in der gleichen Sprache verständigen. Hebräisch sollte die Basis für eine gemeinsame Identität werden. Das ist bis heute so, nur die Ultra-Orthodoxen verweigern sich dagegen. Für sie ist Hebräisch die Sprache der Tora und damit dem Gebet vorbehalten. Im Alltag sprechen sie Jiddisch.

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Manches klingt einfach besser auf Englisch

Ulpan ist darauf ausgelegt, möglichst schnell die Grundzüge der Sprache und der jüdischen Kultur zu vermitteln. Und in der Tat, auch in unserem Unterricht geht alles – wenn ich nicht gerade vorlese – schnell. Wir wechseln alle paar Minuten zwischen den Übungen, sprechen, schreiben, lesen, Partnerübung, Spiel, Singen, Test.

Mein Ziel für den Sprachkurs ist es, am Ende souverän das Buch von der richtigen Seite aufzuschlagen. Bis dahin halte ich mich an die Lieder. Wenn wir „Shalom, Chaverim“ singen, bin ich am lautesten. Chaverim bedeutet Freunde, Shalom bedeutet Frieden. Davon kann man in diesem Teil der Welt nicht oft genug singen.