Lange haben Redakteure und Reporter ihre Themen nach dem Motto „Only bad news are good news“ oder „If it bleeds, it leads“ ausgewählt. Blut, Tränen und Schmerz gewannen in Themenkonferenzen, vor allem – aber nicht nur – im Boulevardjournalismus. Positive Nachrichten wurden als soft news abgetan und als erstes weggekürzt.
Die LeserInnen scheinen genug davon zu haben, dass die JournalistInnen ihnen das Leid der Welt zumuten und sie dann damit alleine lassen. Schon 2015 ergab eine Forsa-Umfrage, dass die Hälfte der Befragten die deutschen Fernsehnachrichten als zu negativ empfinden. Sie machen Angst und schlechte Laune. Denn: Wer immer nur Schreckliches sieht und liest, glaubt irgendwann, alles ist schlimm. 80 Prozent wünschten sich schon vor zwei Jahren, dass nicht nur Probleme, sondern auch Lösungsansätze gezeigt werden. Doch nur langsam scheint das in den Redaktionen anzukommen.
Bei konstruktivem Journalismus geht es nicht darum, nur noch die Arbeit der NGOs, Hilfsorganisationen oder Retter vorzustellen. Es geht nicht darum, etwas zu beschönigen oder dem Schrecken nicht ins Auge zu blicken. Es geht darum, all das aufzuzeigen, aber danach nicht aufzuhören. Sondern mit der Leserin und dem Leser Ansätze zu diskutieren, wie man Probleme lösen kann. Für JournalistInnen bedeutet das, ProtagonistInnen zu finden, die das Problem nicht nur mit ein paar Zitaten personalisieren, sondern die auch Ideen haben, wie sich etwas verändern kann. Es müssen nicht immer die Opfer im Mittelpunkt stehen, eine Geschichte kann auch entlang der Helden erzählt werden und trotzdem intensiv sein. Darum geht es beim lösungsorientierten Journalismus.
Auch in Talkshows werden Debattierende mit maximal unterschiedlichen Meinungen eingeladen, mit dem einzigen Ziel, einen möglichst großen Clash herbeizuführen. Warum nutzt man diese Experten-Runden nicht vielmehr, um über Lösungen nachzudenken und Wege zu diskutieren, wie etwas bessert werden kann?
Der konstruktive Journalismus will genau das. Er will keine unmündigen Rezipienten hervorbringen oder die Nutzer in Schockstarre versetzen. Konstruktiver Journalismus will Möglichkeiten aufzeigen, sich einzubringen, etwas zu verändern. Er will gegen Resignation ankämpfen. Und selbst, wenn die LeserInnen nicht sofort mitanpacken wollen, bleibt trotzdem nicht der Eindruck von „alles wird immer schlimmer“, der uns so oft überkommt – und trügt.
Es gibt ein paar wenige Redaktionen, die diesen Ansatz bereits verfolgen. Perspective Daily ist die konsequenteste von ihnen. 2016 gegründet mit dem Ziel, konstruktive Nachrichten zu produzieren. Die Redaktion des Webmagazins stellt sich außerdem einer Herausforderung, der Journalisten aller Redaktionen zunehmend gegenüber stehen: Sie legt Quellen offen, zeigt Recherchewege auf, hängt Studien an. Denn Leserinnen und Leser lassen sich in Fake-News-Zeiten nicht mehr alleine mit der Reputation von Medienmarken abspeisen, sie wollen zurecht nachvollziehen können, woher die Informationen kommen.
Journalismus muss transparenter werden, wir müssen uns das Vertrauen der LeserInnen erarbeiten, wenn wie nicht den wichtigsten Bestandteil unserer Arbeit verlieren wollen: unsere Glaubwürdigkeit. Die Zeiten, in denen es reicht, wenn wir schreiben „sagt Experte XY“, „steht in Studie Z“ sind vorbei. Online-Journalismus bietet die Möglichkeit, Studien, Quellen und Interviewpartner mitzuverlinken. Bei Perspective Daily werden auch Artikel anderer Zeitungen verlinkt, wenn sie tatsächlich die einzige Quelle waren. Man versteckt sich nicht hinter für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbaren Recherchen. Das führt bei den Journalisten dazu, auch unter Zeitdruck immer sorgfältig arbeiten zu müssen, Recherchewege zu dokumentieren und sich nicht der Verführung hinzugeben, von geschätzten KollegenInnen auch mal das ein oder andere zu übernehmen.
Vorbilder für Perspective Daily sind De Correspondent in den Niederlanden, aber auch Positive News in Großbritannien. Die Washington Post hat seit 2014 die Rubrik „The Optimist“, der Schweizer Tagesanzeiger eine, die „Die Lösung“ heißt. Aber auch in Deutschland finden sich immer mehr Ansätze für positive Nachrichten. Oft sind es nur kleine Rubriken, wie „Früher war alles schlechter“ im Spiegel. Dort wiederlegen Journalisten jede Woche Gefühle mit Fakten. Oder auch die kleine Rubrik „Good news“ in der Neon. Ein paar Sätze, die zeigen, was sich im vergangenen Monat verbessert hat. Es sind Ansätzen von einem Trend, der Potential hat, groß zu werden.
Kennt ihr andere Formate, die einen konstruktiven Ansatz verfolgen? Dann scheibt gerne in die Kommentare. Natürlich auch, wenn ihr anderer Meinung seid.